Common Places - Glück gehabt
Drei Mädels sind auf dem Weg nach Holland. In Hannover steigt eine Gruppe südländisch und afrikanisch aussehender junger Männer in den Zug. Sie haben nur wenig Gepäck dabei und setzen sich auf die freien Plätze in unserer Nähe. Wir schauen uns an und flüstern zeitgleich: "Flüchtlinge..."
Silvia kommt mit einem der Männer ins Gespräch und ich lausche vom Sitz vor ihr mit. Unsere Vermutung ist richtig. "Unser" Flüchtling spricht passables Englisch, ist 23 Jahre alt und kommt aus Eritrea. Er ist vor elf Tagen mit einem Plastikboot übers Mittelmeer gekommen. Wie lange die Fahrt gedauert hat, ist nicht klar und wir fragen auch nicht nach. Mir stockt ohnehin der Atem und ich will auch nicht wissen, wieviele dabei gestorben sein müssen.
Die Fragmente, die er berichtet, reichen uns schon. So musste er wohl als Soldat arbeiten, seit er 17 Jahre alt war. Silvia bestätigt nach kurzer online-Recherche: In Eritrea herrscht seit Jahren ein Militärzwang. Das heißt, jeder junge männliche Erwachsene muss in den seit Jahrzehnten dauernden Bürgerkrieg ziehen, ob er will oder nicht.
Doch Holland und eine bessere Zukunft liegen vor ihm. Wir erfahren, dass er in einem Ort aussteigen will, in dem sein Bruder lebt und auf ihn wartet. Familie so fern der Heimat - das klingt nach einem glücklichen Ende der Flucht.
Kurz vor der Grenze kommt ein holländischer Grenzpolizist in bewaffneter Montur durch den Zug und bedeutet mit Kopfnicken und Fingerzeig allen aufgrund ihrer Hautfarbe als Flüchtlingen erkennbaren Männern, ihre spärlichen Habseligkeiten zu packen und mitzukommen. Wir schauen uns an und wissen nicht, was das soll. Wenig später wird die Gruppe junger Männer auf dem Bahnsteig abgeführt und uns klar, dass ihre Reise ein jähes Ende findet. War unser Flüchtling dabei? Ich denke, ihn gesehen zu haben.
Sollte aus dem ersehnten neuen Leben doch nur ein Scheitern kurz vor dem Ziel geworden sein? Beklemmende Stille. Der Zug fährt weiter, wir grübeln vor uns hin. Wieder einer, der es nicht geschafft hat. Nicht weiter drüber nachdenken, es hat alles seine Richtigkeit...
Plötzlich steht er neben uns, grinst breit und setzt sich ruhig an seinen Platz. Es war für ihn anscheinend einfach, sich im richtigen Moment auf dem Zug-WC der Kontrolle zu entziehen. Wir werden Zeugen eines illegalen Grenzübertritts und mir als rechtstreuer deutschen Staatsangehörigen ist irgenwie zwischen mulmig und fröhlich zugleich zumute. Der hat Nerven!
Dort, wo er aussteigt, müssen wir auch umsteigen. Ich bin froh, dass er bald seinen Bruder sehen kann. Er ruft uns zu, dass der ihn gleich abholen komme. Die letzte Grenze ist überwunden. Ich schüttle lachend seine Hand: "I wish you a lucky life." Dann geht er den Bahnsteig herunter und ist ebenso schnell verschwunden, wie er am Beginn dieser Urlaubsreise aufgetaucht war.
Wir reisen normal weiter und gehen an Bord eines schönen 13m-langen Segelbootes. Die Episode mit unserem Flüchtling kommt mir einen Tag darauf schon vor, als ob es eine Sequenz aus einem Film war. Dennoch hat sie etwas in mir bewegt: Durch das Los unserer Geburt in Deutschland leben wir andauernd im Glück und können es oft nicht begreifen.
Doch diesmal hat es das Schicksal auch gut mit einem Flüchtling gemeint - ein Glücksfall, so etwas miterlebt zu haben.
Silvia kommt mit einem der Männer ins Gespräch und ich lausche vom Sitz vor ihr mit. Unsere Vermutung ist richtig. "Unser" Flüchtling spricht passables Englisch, ist 23 Jahre alt und kommt aus Eritrea. Er ist vor elf Tagen mit einem Plastikboot übers Mittelmeer gekommen. Wie lange die Fahrt gedauert hat, ist nicht klar und wir fragen auch nicht nach. Mir stockt ohnehin der Atem und ich will auch nicht wissen, wieviele dabei gestorben sein müssen.
Die Fragmente, die er berichtet, reichen uns schon. So musste er wohl als Soldat arbeiten, seit er 17 Jahre alt war. Silvia bestätigt nach kurzer online-Recherche: In Eritrea herrscht seit Jahren ein Militärzwang. Das heißt, jeder junge männliche Erwachsene muss in den seit Jahrzehnten dauernden Bürgerkrieg ziehen, ob er will oder nicht.
Doch Holland und eine bessere Zukunft liegen vor ihm. Wir erfahren, dass er in einem Ort aussteigen will, in dem sein Bruder lebt und auf ihn wartet. Familie so fern der Heimat - das klingt nach einem glücklichen Ende der Flucht.
Kurz vor der Grenze kommt ein holländischer Grenzpolizist in bewaffneter Montur durch den Zug und bedeutet mit Kopfnicken und Fingerzeig allen aufgrund ihrer Hautfarbe als Flüchtlingen erkennbaren Männern, ihre spärlichen Habseligkeiten zu packen und mitzukommen. Wir schauen uns an und wissen nicht, was das soll. Wenig später wird die Gruppe junger Männer auf dem Bahnsteig abgeführt und uns klar, dass ihre Reise ein jähes Ende findet. War unser Flüchtling dabei? Ich denke, ihn gesehen zu haben. Sollte aus dem ersehnten neuen Leben doch nur ein Scheitern kurz vor dem Ziel geworden sein? Beklemmende Stille. Der Zug fährt weiter, wir grübeln vor uns hin. Wieder einer, der es nicht geschafft hat. Nicht weiter drüber nachdenken, es hat alles seine Richtigkeit...
Plötzlich steht er neben uns, grinst breit und setzt sich ruhig an seinen Platz. Es war für ihn anscheinend einfach, sich im richtigen Moment auf dem Zug-WC der Kontrolle zu entziehen. Wir werden Zeugen eines illegalen Grenzübertritts und mir als rechtstreuer deutschen Staatsangehörigen ist irgenwie zwischen mulmig und fröhlich zugleich zumute. Der hat Nerven!
Dort, wo er aussteigt, müssen wir auch umsteigen. Ich bin froh, dass er bald seinen Bruder sehen kann. Er ruft uns zu, dass der ihn gleich abholen komme. Die letzte Grenze ist überwunden. Ich schüttle lachend seine Hand: "I wish you a lucky life." Dann geht er den Bahnsteig herunter und ist ebenso schnell verschwunden, wie er am Beginn dieser Urlaubsreise aufgetaucht war.
Wir reisen normal weiter und gehen an Bord eines schönen 13m-langen Segelbootes. Die Episode mit unserem Flüchtling kommt mir einen Tag darauf schon vor, als ob es eine Sequenz aus einem Film war. Dennoch hat sie etwas in mir bewegt: Durch das Los unserer Geburt in Deutschland leben wir andauernd im Glück und können es oft nicht begreifen.
Doch diesmal hat es das Schicksal auch gut mit einem Flüchtling gemeint - ein Glücksfall, so etwas miterlebt zu haben.
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